
Religiöses Trauma Syndrom
(Hintergründe)

"Wenn sich ein Mensch von einem religiösen Glauben trennt, in den er vielleicht sogar „hineingeboren“ wurde, sieht er sich oft neben einer neugewonnenen Freiheit mit einer Fülle von Herausforderungen konfrontiert. Oft ist das Gefühl übermächtig, dass alles in der Vergangenheit „falsch“ war - und dass man selber eine völlig andere Entwicklung hatte als die Menschen um einen herum."
"Religiöses Trauma Syndrom - Eine Einführung"
Manch einem wird erst "mit der Zeit" bewusst, dass es Auswirkungen auf die Psyche hatte, wenn er lange Zeit mit der Überzeugung lebte,
Besonders, wenn ein Kind von seinen Eltern bereits in einem Glauben mit festen Normen und diesem Weltbild erzogen wird, bilden sich in der frühen Kindheit viele feste synaptische Verbindungen im Gehirn, die in dieser Zeit noch nicht „kritisch überprüft“ werden. Sie werden als „Tatsachen“ abgespeichert und durch das religiöse Umfeld über viele Jahre permanent bestätigt.
Es gibt Kinder, die diese Gedanken bereits als extrem belastend empfinden. Andere erleben sie zunächst als »völlig normal« - sie wurden ja durch Familie, Freundeskreis und Vertrauenspersonen vermittelt, die der gleichen Überzeugung waren. In beiden Fällen kann es jedoch sein, dass die Nervenbahnen durch den ungesunden Dauerstress so stark belastet werden, dass sich eine krankhaft-traumatische Situation entwickeln kann.
WICHTIGER HINWEIS:
Bei einer krankhaften Ausprägung eines Religiösen Trauma Syndroms ist die Beratung und Begleitung durch einen Therapeuten sehr zu empfehlen - und gerne kann ich bei dieser Suche unterstützen.
Darüber hinaus gibt es aber auch eine nicht-krankhafte Ausprägung von Problemen bei einer schädlich erlebten religiösen Prägung - und vielleicht ist diese „Gruppe der Betroffenen“ zahlenmäßig auch die größte.
Und doch sind es Menschen, die unter den Symptomen leiden.
Die ihren Alltag ganz normal bewältigen können, aber immer wieder an ihre Grenzen stoßen. Immer wieder unter einem Gedankenkarussell leiden. Immer wieder die Symptome in einer abgeschwächten Weise erleben, die ich in diesem Artikel beschreiben möchte.
Woher kommt der Begriff?
Der Begriff „Religiöses Trauma Syndrom“ stammt von der Psychologin Marlene Winell (USA) aus dem Jahr 2011. Aber obwohl damit gerechnet wird, dass jedes Jahr Millionen von Menschen betroffen sind, sind die Probleme bisher (Stand 2021) leider nicht in die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) aufgenommen worden.
RTS beschreibt eine Ansammlung von Symptomen, die jemand als Folge extrem belastender, religiöser Erfahrungen erlebt hat - und das unabhängig vom Zeitpunkt dieser Erfahrungen:
2 Missverständnisse
Der Begriff "Trauma" an sich
Der Trauma-Begriff wird oft missverstanden: Oft verbinden wir damit nur das bekanntere „Schock-Trauma“ - also das Ergebnis eines abgegrenzten, relativ kurzen Erlebnisses wie z.B. einer Vergewaltigung oder eines sexuellen Missbrauchs, in der die Psyche des Menschen über ein erträgliches Maß belastet wird.
Daneben gibt es jedoch auch ein Entwicklungstrauma. Dieses entwickelt sich entweder in der frühen Kindheit, oder wenn ein Mensch über einen langen Zeitraum etwas erlebt, welches ihn über die für ihn erträglichen Maße belastet.
Viele Menschen mit einem Religiösem Trauma Syndrom erleben genau dieses Entwicklungstrauma.
"Das gibt´s ja nur in Sekten"
Religion an sich wird heute als "überwiegend" und "irgendwie" positiv definiert. Jeder kann ja glauben, was er will.
Es fehlt grundsätzlich das Verständnis, dass manche Menschen durch Religion wirklich geschädigt werden können. Entweder, jemand hat etwas völlig falsch verstanden oder er wurde durch eine Art "Gehirnwäsche" geschädigt.
Dass so etwas in einer Sekte passieren kann oder durch Gewalt in der Familie, ist oft der einzige Ausweg für die eigene Vorstellungskraft. Es ist auffällig, dass "wir" als Gesellschaft fast froh sind, wenn wir dieses Thema einer absoluten Randgruppe zuordnen können.
Symptome
Die Symptome eines Religiöses Trauma Syndroms ähneln dabei oft einer Posttraumatischen-Belastungsstörung (PTBS, oder auch die aus der englischen Bezeichnung Post-traumatic Stress Disorder stammende Abkürzung PTSD).
Marlene Winell beschreibt unter anderem auf ihrer Seite journeyfree.org 4 Symptome (oder Herausforderungen), mit denen sich ein Aussteiger konfrontiert sieht:

Und es gibt extreme Fälle in Form von seelischem und sexuellem Kindesmissbrauch, Gewalt jeder Art, Selbstmord, Mord und Vergewaltigung.
Warum ist man mit einem Religiösem Trauma Syndrom so allein?
Religion ist in unserer Gesellschaft ein kostbares Kulturgut und ein hoch angesehenes Wertesystem, welches anderen Menschen Halt gibt. Religionslose Menschen können nicht verstehen, warum man Probleme bekommen kann, wenn man nicht an Gott glaubt und religiöse Menschen können nicht verstehen, warum man nicht einfach zu Gott zurückkommt. Oft begegnet man auch den Vorwurf, man habe „nicht richtig“ geglaubt, oder nicht „den wahren Gott“ kennengelernt, womit nicht nur die Gegenwart, sondern auch noch die Vergangenheit infrage gestellt wird.
Religion hat in unserer Gesellschaft im Allgemeinen auch keinen schlechten Ruf – bestenfalls wird sie ein wenig belächelt. Es ist aber tief in unserer Kultur verwurzelt, Religion zumindest einen höheren Stellenwert zu geben, wenn es um die Vermittlung von guten Werten bei unseren Kindern geht. „Du sollst nicht stehlen oder töten“, „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ gelten als Werte, die durch die christliche Religion in unsere Kultur gekommen sind. Und wahrscheinlich sagen auch die Mehrheit der unreligiösen Menschen, dass "ein wenig Religion sicher nicht schadet".
"Wir" glauben, religiös zu sein sei grundsätzlich gut, und wer dagegen ist, der müsse einfach etwas im Schilde führen. Bei religiös Uninteressierten sagt man bestenfalls „Soll doch jeder glauben, was er will“, bei Atheisten wittert man Angriffe auf das Gute im Menschen, gesellschaftliche Verrohung und Haftanstalten für Christen.
***
Für Menschen, die einen körperlichen Missbrauch erlebt haben, ist es die schlimmste Strafe, wenn andere eine Mitschuld vermuten – entweder öffentlich oder hinter vorgehaltener Hand. Menschen mit RTS sehen sich mit totalem Unverständnis ihrer Situation bezüglich konfrontiert, wenn sie das ganz normal Leben um sich herum betrachten – und oft wird aus der Gesellschaft eine Form von Mitschuld vermittelt:
Zusammenfassend wird der RTS-Betroffene mit einer Welt konfrontiert, die im besten Fall über seinen „Fall“ lächelt und sein Leid als unbedeutend abtut - in den meisten Fällen jedoch werden zusätzlich weitere Schuld- und Schamgefühle vermittelt.
Folgeprobleme
Die oben aufgeführten Probleme sind für einen Menschen mit Religiösem Trauma Syndrom nicht ermutigend und führen häufig dazu, die religiöse Vergangenheit so weit wie möglich geheim zu halten oder für seine direkte Umgebung „umzuschreiben“. Oft wird schon gar nicht versucht, sich anderen Menschen gegenüber anzuvertrauen, weil schlicht der Glaube fehlt, jemand anderes könnte auch nur ansatzweise helfen.
Was bleibt, sind scheinbar unlösbare Probleme, die nach eigenem Befinden wohl ein ganzes Leben anhalten werden oder sich gegen Lebensende sogar noch verstärken werden:
Schwierigkeiten, dem eigenen Intellekt oder der inneren Stimme zu vertrauen
Über lange Zeit wurde die innere Stimme entweder als von Gott oder vom Teufel beeinflusst angesehen. Man war angehalten, der inneren Stimme immer ein wenig zu misstrauen. Ebenso war der Intellekt etwas, was oft gegen den Glauben arbeitete. Gott läßt sich eben nicht mit dem Verstand erklären und so werden wissenschaftliche, kulturelle und philosophische Überlegungen und Beweise erst einmal biblisch überprüft – entweder durch Pfarrer, Pastor, Älteste, … oder auch durch im Selbststudium erworbene Filter.
Schwierigkeiten, neue Bindungen einzugehen
Im Normalfall suchen sich Menschen neue soziale Kontakte so aus, dass sie anfangs einfache Sicherheitskriterien „abklopfen“. Erst im Anschluss wird Vertrauen aufgebaut. Menschen mit einer traumatischen Vergangenheit drehen diese Vorgehensweise oft um. Es ist dann vergleichbar mit der in einer Ehe missbrauchten Frau, die immer wieder in eine ähnliche Beziehung „rutscht“.
Probleme, die oft gar nicht mehr gesehen werden
Weitere Infos:
Natalie Barth auf Ihrem YouTube-Chanel:
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"Das Religiöse Trauma Syndrom"
Diese Schrift ist all denen gewidmet, die es aufgrund ihrer religiösen Prägung für aussichtslos halten, jemals einen Schluss-Strich unter ihre Situation ziehen zu können.
Du findest hier 6 Artikel, die ich in der Vergangenheit zum Religiösen Trauma Syndrom bereits einmal veröffentlicht hatte.


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