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Kategorie(n):YouTube, Schritte heraus 

[Video-Transkript]

Manchmal werde ich gefragt, ob es einen besonderen Moment gegeben hat, mit dem meine Angstbewältigung anfing. Und ja, den gab es tatsächlich. Es gab sogar 2. Und von denen will ich heute erzählen.

Mein Name ist Jürgen Kohlhase, und ich helfe heute Menschen, die aus einer streng religiösen Prägung kommen, wie sie Dinge aus dem Kopf bekommen können, an die sie nicht mehr glauben wollen. Und das ist eben gar nicht so einfach.

Evolutionär sind wir ja so angelegt, dass uns unsere Prägung das ganze Leben eine Richtung geben soll. Auch in der Trauma-Therapie arbeitet man an Methoden, wie man jemandem helfen kann, der z.B. in einem Krieg schreckliches erlebt hat und diese Dinge nun nicht mehr aus dem Kopf bekommt.

Es gibt viele Techniken, wie wir etwas lernen können - aber wie können wir etwas wieder VERlernen - oder vergessen? Oder was ist hier eigentlich der richtige Ausdruck, wenn wir eine starke Prägung als Kind erhalten haben, die wir heute als falsch oder sogar als schädlich erkennen und von der wir uns nicht mehr beeinflussen lassen wollen?

Aber kommen wir mal zu meinen beiden "besonderen" Momenten:

  • Der erste kam zeitlich sogar noch vor meiner Angst-Periode und hing recht eng mit dem Moment zusammen, als ich mir eingestand, dass Gott wohl mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nur das Produkt meiner Prägung ist. Es dauerte dann gar nicht lange, als ich mich der Frage stellte, wie es denn nun weitergehen soll und wie ich meine Prägung jetzt auch wieder loswerde. Denn meine Gedanken waren es ja fast 30 Jahre lang gewohnt, "gläubig" zu denken. Also in irgendwie allen Bereichen des Lebens Gott mit einzubeziehen. Und das war bei den Menschen um mich herum nicht der Fall. Überhaupt nicht. Es war also ein komplett anderes Denken. Und ich konnte mir nicht im Ansatz vorstellen, wie es war, nicht gleich Gott im Kopf zu haben, wenn ich morgens aufwachte und abends ins Bett ging. Aber: wenn eine Prägung ein erlerntes Verhalten ist, dann muss es doch auch möglich sein, mich selber einfach neu zu prägen. Damals hatte ich nicht wirklich viel Ahnung von der Psyche - es war vielmehr eine Art Logik, die mir einleuchtete - und die sich schließlich bewahrheitete. Auch, wenn ich noch vieles zu lernen hatte.
  • Der 2. Punkt kam, nachdem ich mir eingestanden hatte, dass meine Ängste, die ich mittlerweile fast 5 Jahre hatte, wohl nicht von alleine verschwinden werden. Vielleicht kennst du das, dass man sich zwischen den Angstperioden einredet, dass sie ja schon kleiner geworden sind, aber man sich in Wirklichkeit nur etwas vormacht, weil man in diesem Zustand eine gewisse Balance gefunden hat.
     Und dann hatte ich auf einmal aber das Bild im Kopf, wie ich als alter Mann immer noch mit diesen Ängsten im Kopf lebte. Und diese Vorstellung war so stark, dass ich endlich meinen Arsch hochbekam, Entscheidungen fällte und begann, mich mit meiner Angst auseinanderzusetzen - und mich damit aktiv neu zu prägen.

Und was dann kam, umschreibe ich eben gerne mit dem Bild des Sprachenlernens. Auch hier hast du eine Muttersprache, mit der du aufwächst. Und diese Sprache begleitet dich in allen deinen Lebenslagen - sogar dein Denken basiert auf dieser Sprache. Aber irgendwann fährst du vielleicht nach Italien und bist fasziniert von dem Land, der tollen Sprache und dem so vielleicht nicht so verkrampften Lebensstil der Menschen hier. Vielleicht hast du sogar den starken Wunsch, in diesem Land einmal zu leben - aber du kannst dir im Traum nicht vorstellen, diese Sprache zu beherrschen oder gar in ihr zu denken.

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Was tust du also? Na ja, ganz einfach: Du lernst Vokabeln und Grammatik und sprichst diese Sprache einfach immer wieder. Du wiederholst die Vokabeln, lernst sie auswendig, setzt sie nach den Grammatikregeln aneinander und trainierst die neuen Sätze immer wieder. Und es wird überhaupt nicht lange dauern, bis du bei deinem Lieblingsitaliener deine erste Pizza auf Italienisch bestellst - perfavore. Und es wird funktionieren - auch wenn der Kellner etwas amüsiert lächelt.

Und jetzt spinnen wir unsere Geschichte doch mal weiter: Irgendwann lebst du in Italien und fühlst dich richtig zu Hause. Du sprichst am Abend mit deinen Nachbarn, du gehst einkaufen und arbeiten, du denkst und träumst sogar italienisch. Und dann bekommst du eines Tages das Tagebuch deines Großvaters in die Hand, der in Italien geboren wurde und nach Deutschland auswandern musste, weil er in seiner Heimat keine Arbeit finden konnte. Er hat liebevoll dafür gesorgt, dass seine Tochter, deine Mutter Deutsch spricht und sich in Deutschland zurechtfindet. Und sie hat dich mit dem erzogen, was für sie richtig war: die deutsche Sprache und die deutsche Kultur.

Aber - das ist ja nur eine erfundene Geschichte von jemandem, der jetzt glücklich in Italien lebt.

Und ich fände es jetzt superspannend, ob du weitere Parallelen zwischen Angstbewältigung und Sprache lernen findest. Ich persönlich liebe es, solche Geschichten weiterzudenken und empfinde sie als hochgradig therapeutisch, weil unser Gehirn sich auf diesem Weg ganz spielerisch mit einem Problem auseinandersetzen kann - und zwar ohne, dass es belasten wird. Und auf einer anderen Ebene wird unser Unterbewusstsein einfach weiterarbeiten.

Ich wünsche dir sehr, dass du etwas findest, was du erlernen kannst.

In diesem Sinne, mach’s gut und Tschüss bis zum nächsten Mal,

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